Die drei Dirtmusiker sind schon seit Urzeiten aktiv: Chris Eckman ist Gründer von The Walkabouts, arbeitete aber auch mit Willard Grant Conspiracy, Steve Wynn und vielen anderen; Chris Brokaw musizierte mit Evan Dando und seinen Lemonheads, Liz Phair und Thurston Moore; Hugo Race, True Spirit-Chef und Originalmitglied von Nick Cave’s The Bad Seeds. Dirtmusic’s Debütalbum wurde 2007 in Chris Eckman’s neuer Heimat Ljubljana/Slowenien aufgenommen und kam den Promotern des jährlich in Mali stattfindenden «Festival Au Desert» in die Lauscher. Schon waren Dirtmusic gebucht. «Ich verbrachte die drei Tage wie in Trance», erinnert sich Eckman. «Die Musik, die Menschen, die Umgebung – das war einfach überwältigend.»
Neben ihrem Zelt stand das der jungen Tuareg Wüsten-Blues-Rock-Band Tamikrest. Und die beiden Bands jammten dem Teufel dreitausend Ohren ab. Chris Eckman: «Am ersten Morgen in Essakane hörten wir schon beim Aufwachen Musik. Also nichts wie durch den Sand zum Zelt gegenüber, in dem Tamikrest spielten. Chris Brokaw schnappte sich seine Dobro, Hugo und ich die Gitarre. Und im Prinzip haben wir das Zelt die folgenden drei Tage nicht verlassen.» Und sonnenklar: Sowas durfte nicht im Sand verrieseln, sowas musste nach dem Wüstenfest eine Fortsetzung finden.
Ein Jahr später landete Dirtmusic erneut in Mali, um das eingangs erwähnte BKO-Album einzuspielen. Tamikrest waren im Studio dabei. Man kommunizierte in einer Mischung aus Englisch, Französisch und Tamashek (Touareg-Sprache), aber die eigentliche Sprache war die Musik: traditionelle Songs, Dirtmusic-Songs, Tamikrest-Songs, alles floss zusammen. Als Bokarow die ersten Takte von Velvet Underground’s «All Tomorrow’s Parties» spielte, zögerten die Tamikrest-Musiker keine Sekunde, als wären sie mit dem legendären Bananen-Album aufgewachsen. Alles total natürlich und hinreissend. So singt Tamikrest-Gitarrist Ousmane Ag Mossa in «Black Gravity» spontan in Tamashek und baut damit seinen eigenen Song Imidiwan (Freunde) quasi als Geschenk in den von Chris Eckman geschriebenen ein. Und es waren noch andere grosse Musiker Malis im Studio: Fadimata Walet Oumar von Tartit, zwei Musiker von Toumani Diabatés Symmetric Orchestra sowie die Gitarrenlegende Lobi Traoré.
Kurz nach den BKO-Sessions produzierte Eckman in Mali das Tamikrest-Debütalbum
«Adagh». «Sie sind eindeutig die Zukunft der Tamasheq-Musik!», sagt der langjährige Tinariwen-Manager Andy Morgan über Tamikrest, die geistigen Söhne der weltberühmten Altmeister. Ihre intensiven, hypnotischen Melodien hieven sowohl die Tradition des Tamasheq-Blues als auch des Rock auf ein neues Niveau.
Der Name Tamikrest heisst Bündnis/Verbindung/Knoten. Die sieben Mitglieder stammen aus Mali, Niger und Algerien und begannen in Kindal gemeinsam über den Ishumar-Rock der Tuareg-Rebellen ihre Identität zu finden. «Jeder von uns kam aus einem anderen Ort, einer anderen Region» erklärt Ousmane. «Cheikh und ich kamen aus Tinza. Aghaly und Mossa Maiga aus Kidal. Pino kam aus Gao. Aber wir haben uns gefunden und haben die gleichen Ideen, die gleichen Ziele. Wir sind wie ein Bündnis.» Tamikrest-Songs sind ebenso Protestsongs gegen die miserablen Lebensbedingungen der Tuareg wie ein Lob auf den für die Tuareg elementaren Lebensraum Wüste. Daran haben auch die verheerenden Dürren und Kriegszerrüttungen der jüngsten Vergangenheit nichts geändert: «Eine Wüste beherbergt uns, eine Sprache vereint uns, eine Kultur verbindet uns».
Im März 2007 traten Tamikrest beim Peace Forum auf, bei dem sich die Tuareg-Rebellen mit Malis Regierung und tausenden von Repräsentanten in Kidal trafen, um gemeinsam einen Weg für die Zukunft zu suchen. Mit ihrem neuen Sound wurden sie so die neue Band der Tuareg-Jugend, die neben Tamashek-Sound auch Rap, Metal, Maghrebi-Pop Afro-Disco von der Elfenbeinküste liebt.
«My God, all-seeing, // If your power is almighty, // Then help the Touareg man. /// Since his beginning, // He has lived in arid zones, // Rigorous, deserted // And without means. /// He looks at the ever-changing world, // That overtakes him, // And he is left behind // In his ignorance.» OUTAMACHEK vom Album «Adagh» (von Ousmane Ag Mossa, Übers. Andy Morgan)
Die Mission der Band steht für Ousmane felsenfest. «Die augenblickliche Situation der Tuareg ist sehr schwierig», erklärt er. «Noch bevor ich anfing, Gitarre zu spielen und Aufnahmen zu machen, hatte ich das Ziel, Anwalt und Vertreter meines Volkes zu sein. Ich wollte den Schmerz, den ich in meinem Herzen fühle, ausdrücken und über unsere Situation sprechen, wenn es sein muss vor den Vereinten Nationen. Erst später erkannte ich, dass ein Musiker sehr wohl auch diese Rolle übernehmen kann.» Und: «Es ist unsere Pflicht als Künstler, der Welt über diese Probleme zu berichten, Lieder zu singen über das Leben der Nomaden, über unsere Tradition und Kultur. Aber vor allem revolutionäre Lieder über das, was wir sehen und erleben, über unsere Regierung und wie sie unser Volk behandelt. Denn das alles macht für mich keinen Sinn.» Hier ist Tamikrest - der Knotenpunkt, das Bündnis, die Zukunft. Hier auf unserer friedlichen, revolutionären Weltumarmungsinsel.