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Inselhelden, rastlose...
Montag, 15.02.2010, 20Uhr20
Lokalbühne
Chris Cacavas (USA)
Legt einer ein Tape(!) ein, nach den ersten Tönen sagt der andere: «Klingt ja wie Neil Young.» Antwortet der am Tape: «Ist aber Chris Cacavas.»

Derweil aber Young fast nur noch Mittelmass verschwurbelt, sind uns die fünf Jahre seit «Self Taut» verdammt lang geworden. Die in zerfranste Gitarren und süsse Harmonien gegossene Melancholie schrie nach Nachschub. «Love's Been Discontinued» entlöhnt die Warterei und hilft gegen alle Entzugserscheinungen – vor allem aber zeigt es, wie wenig die ständigen Vergleiche, so schmeichelhaft sie sein mögen, dem eindrücklichen Werk des Ex-Green On Red-Keyboarders gerecht werden.

«Other Side» eröffnet das Album mit monotonem Keyboard-Riff, hypnotischen Harmonien und Rückwärtsgitarren. Der Song hätte auch auf «Bumbling Home From The Stars» (2002) gepasst, dieses Meisterwerk, auf dem sich Americana und Post-Rock gute Nacht sagten. Vielleicht liegt es an der Reissbrettstadt Karlsruhe, wo Cacavas seit einiger Zeit verliebt lebt: Der Sound von «Love’s Been Discontinued» ist sein bislang Americana-fernstes Werk. Nein, Cacavas ist natürlich immer noch Cacavas, mehr denn je. Ist ja auch so einer, der immer besser klingt. Statt pointierter Orgel und praller Klavierpassagen breiten sich die Keyboards jetzt webend im Hintergrund aus, während vorne die Gitarren herrschen. Und manchmal pluckern Synthesizer geradezu elektrowavig vor sich her. Zwar segelt Käpt’n Cacavas noch immer unter dem Alternativ-Rock-Banner, doch der Sound ist weicher, weniger Country, gewürzt mit leichem Psychodelic-Touch und Vicki Browns wunderbarer Violine. Und die Schwerkraft scheint aufgehoben, die verliebten Songs schweben förmlich, als triebe es Can mit Damo Suzuki.

Kennzeichnend ist auch immer noch seine brüchige Stimme, eher gehaucht als geschüttelt und gerührt. Und das Young-Etikett schmeissen wir nun für alle Zeiten in den Mistkübel der Musikgeschichte. Nie wird Cacavas anbiedernd, immer schützen Ecken und Kanten vor dem schaurigen Sülze-Erstickungstod. Das Jahr hat seinen Minnesänger schon gefunden. Von fragiler Schönheit, liefert die Scheibe Balsam für die Seele. Selbst die schnelleren Songs lassen die Füsse vom allerletzten Inselufer in die tiefe Bläue der Rheinsihl baumeln; auch wenn sich gelegentlich Dunkelheit ausbreitet («Who’s Your Whore», «I Bow Down»), bleibt die Stimmung geprägt von der Sehnsucht nach Freundschaft, Liebe, Nähe. Viel Gefühl in endlos schöner Musik.

Wir bekommen also allerfeinsten, grundehrlichen Chris Cacavas. Und wir lieben ihn. Dass der live immer weit mehr hält, als wir versprechen, braucht hier nur noch den tauben Menschen verzapft zu werden, die es sowieso nicht hören und es schaffen, einen unserer ganz grossen Inselhelden bis heute nicht zu kennen. Das Erlebnis Cacavas vergisst du nämlich bis in alle Ewigkeit nicht mehr, brennt sich im Gedächtnis deines Herzensgrundes ein, entfaltet heilsam das süsse Gift des Genius mit extrem vielen Nebenwirkungen: Cacavas ist ein Outsider, stolz auf seine Rastlosigkeit. Einer, der nie zur Ruhe kommen will. Genau wie wir Inselbewohner auch.

«They said it couldn't be done! Or maybe they said it couldn't be done by me, but folks let me tell ya – it is done and it's a thing of beauty! Why am I gushing about my very own latest release? Well, do you think I'd tell you how 'unbelievably ugly' my baby is? It's true, if my baby were ugly (this one is not!) I'd probably focus on the good features (lovely toes, beautiful eye) but I have yet to find anything I dislike sonically or aesthetically about Love's Been Discontinued. 'Well..' you might ask 'if it's so great then why are you listening to The Flaming Lips as you type this'? The answer is simple – I love my cigar, too, but I take it out of my mouth once in a while»
- Chris Cacavas


Paul Armfield (UK)
Balladen und Songs wie Tausend süsse Tode: Paul Armfield fasst das Leben in unendlich bittersüss-schöne Folk Noir-Juwelen. Er singt mit grosser Geste und warmherzigem Timbre von den kleinen Dingen. Literatur ist neben der Musik die zweite grosse Liebe dieses charismatischen Musikers:
Zuhause sitzt der Mann in seinem kleinen, gut sortierten Buchladen und wehrt sich gegen den Kommerz im Musikbusiness; schreibt Songs, verträumt, zynisch und sozialkritisch. Armfield steht mit Bands wie 'Motion Pictures' oder 'The Bees' für die lebhafte Musikszene der Isle Of Wight vor der Südküste Englands. Es soll da ein Nest von genialen Musikussen geben.

Nach den beiden Alben 'Songs Without Words' und 'Evermine' folgt nun nach langer Pause mit 'Blood, Fish & Bone' ein weiteres Meisterwerk des sanften 2-Meter-Hünen mit der dunklen Stimme; unterstützt von seiner Band The Four Good Reasons, mit der er nun auch durch Europa tourt. Die neuen Songs passen perfekt zur Jahreszeit: Dunkel, ruhig und herzerwärmend zieht Paul den Hörer in seine Welt von Kontrabass, Banjo, Gitarre und Mandoline; der Gesang mal bärig, mal kehlig. Mehr braucht es nicht, um eine wunderbar zerbrechliche, melancholische, weite Erzählwelt auferstehen zu lassen.

Seine Leidenschaft für das französische Chanson und den europäischen Jazz hat er bereits auf seinen Vorgängeralben offenbart; mit diesem Werk begibt er sich ausserdem auf die Spuren zeitloser Songwriter wie Nick Drake, Tim Hardin und Leonard Cohen. Die atmosphärische Nähe zu Lambchop mag sich durch eine gemeinsame Tour mit den Mannen um Kurt Wagner erklären, der stille Kammerfolk-Charakter der Tindersticks aufgrund der Zusammenarbeit mit dessen einstigem Arrangeur Dickon Hinchliffe. Bei allen Referenzen kreiert dieser Mann seinen ureigenen meditativen Kosmos. Und er versteht es, mit seinen zauberhaften Geschichten über die Liebe, das Alter oder Freundschaft trotz oder gerade wegen des Wissens um deren Endlichkeit immer auch deren Schönheit offenzulegen. Stille Klänge, zauberhafte Lieder. Also: Herzen und Seelen auf und hierhören, auf unserer allerletzten Seufzerinsel an der ach so verliebten Sihl.

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