Der spirituelle Sohn von Link Wray und Howlin’ Wolf verklickert uns mit markerschütterndem Timbre und seelenbohrenden Gitarrenklängen wie einfach es sein kann, Grenzen niederzureissen, zu durchbrechen oder einfach nur mit stupender Virtuosität darüber hinwegzusegeln. Unvergesslich und unverwüstlich. Unberechenbar wie ein Tiger im Eichhörnchenpelz: Alvin Youngblood Hart’s Sound hat in keiner Schublade Platz. Der Name Youngblood verweise übrigens auf seine indianischen Vorfahren. Mit traumwandlerischer Sicherheit spielt er sich durch Stile, Epochen und Sounds: Rock hat den Blues des Südens gehärtet wie ein seltenes Samurai-Schwert, geschmeidigt dank einer gemessenen Dosis Soul, geerdet durch schwerelosen Zeitlos-Folk.
Alvin Youngblood Hart schuf 1996 sein begeisterndes Debütalbum «Big Mama’s Door» aus Kindheits- und Jugenderinnerungen im Hill Country von Mississippi. Und garniert den W.C. Handy-Award als bester neuer Künstler sowie zwei Auszeichnungen des Magazins Living Blues. Der musikalische Abenteurer Hart aber dachte gar nicht daran, nun in seine eigenen Fussstapfen zu treten und machte sich mit «Territory» auf zu neuen Horizonten. Eine Ehrfurchtbezeugung vor den unterschiedlichen Musikstilen, die ihn geprägt hatten: Folk mit Acidrock-Gitarren, Ska mit Captain Beefheart. Nix für Puristen, aber unendlich viel für Entdeckungsfreudige: Downbeat wählte «Territory» zum besten Blues-Album.
Die Zusammenarbeit mit dem legendären Memphis-Produzenten und Musiker Jim Dickinson führte zu seinem erfolgreichsten Werk «Start With The Soul» (2000) und wurde als neue Definition von Südstaatenrock gefeiert, vom Kritiker-Stab der New York Times unter die zehn besten Produktionen des Jahres gewählt und von Radio BBC zum besten Blues-Album. Auszeichnungen gehören also inzwischen zum Alltag, ebenso wie der Applaus von Kollegen wie Ben Harper, Eric Clapton und Mick Taylor. Hart selbst hat seine eigenen Vorbilder auf zirka 20 unterschiedlichen Tribut-Alben geehrt, zet Be Led Zeppelin, Rolling Stones, Bob Dylan oder in Martin Scorsese’s Film «The Soul Of A Man». Und unter den Stars, die Alvins Gitarrenkünste nicht missen wollen, sind Junior Wells, Pete Sears oder Maria Muldaur. Mit der von ihm und Gitarrist Audley Feed (Cry Of Love, Black Crowes) gegründeten Hardrock-Band Job Cain ging er auf Welttournee. Und im August desselben Jahres trat er (anstelle Taj Mahal’s) als Mitglied des Jazz Poetry Ensembles Kip Hanrahan’s Conjure fünf Nächte in Tokio auf.
In den letzten Jahren war Alvin hierzulande selten live zu sehen. Wegen Plattenfirma-Fusionen tourte er als wahrer «Blues Traveler» vorwiegend durch Nordamerika und Kanada, solo oder mit seiner Band Alvin Youngblood Hart’s Muscle Theory. Rastlose Reisen hatten schon seine Kindheit geprägt: Häufige Wohnortwechsel seiner Familie liessen ihn Mittelschulen in drei verschiedenen Zeitzonen besuchen. Zugleich lernte er dadurch die unterschiedlichsten Musikstile und -Traditionen kennen. Selbst seine Dienstjahre bei der US-Küstenwache kommen seiner Musik zugute. Heute repariert Hart in der Gitarrenreparaturwerkstatt seiner Ehefrau Heidi Vintage-Amps, die den nötigen Biss für seine legendären Gitarren-Eskapaden liefern. Wahrscheinlich war die in Feuer und Rauch aufgehende Russenkiste, die er bei seinem letzten Inselauftritt von der Bühne kickte auch einer aus Heidi’s Werkstatt... Jedenfalls findet hier ein ganz Grosser wieder heim auf unsere feuerfeste blaue Insel an der guten alten Mississihl.