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Samstag, 05.12.2020, 20Uhr20
Lokalbühne
Radio GUZ präsentiert
«Neun Extraleben»
Die Aeronauten am Plattenteller,
Olifr schaut zu
Tja, der GUZ. R.I.P. Nach zwei Herzinfarkten wartete GUZ im Herbst 19 vier Monate lang im Krankenhausbett auf ein Spenderherz. Im Januar 2020 versagte sein schwaches Herz. Er war erst 52, also noch viel zu jung. Jetzt, wo er endlich wusste, wies geht, das Lebenleben. Ob er sich mit dem Ruti & Frank Sweat for Fury verträgt, da oben? Mit Nayah sicher. Zuviele sind viel zu jung gegangen. Das stellt auch der Franz Dobler fest: «Und weisst du, was», sagte Bergmann, «wir machen die neue vom GUZ!» «Grossartig!» rief ich und riss die Arme nach oben. Es ist GUZ’ nie nachlassende Neugier und Experimentierfreude, der ansteckende Spass, der viel wichtiger als Perfektion ist, und dass er (wie schon immer) etwas zu sagen hat, unsere Gegenwart kommentiert und sich einmischt, was so gut zu Trikont passt, deren musikalische Interessen sich ebenfalls von keinem Radau, Staat, Irrwitz, Sound oder Out-of-Time begrenzen lassen. Sie haben aufgefahren alpenländische bis amerikanische Ausgrabungen, Balkanbeat bis Beerdigungsmusik, Bernadette La Hengst (mit der GUZ später zusammen mit Knarf Rellöm die Gruppe Die Zukunft formieren sollte) bis John Peel (der die Auswahl aus seiner Schellacksammlung genau hier veröffentlicht haben wollte, was er dann leider nicht mehr erleben durfte … goddam shit, warum sterben die denn so früh, Peel mit 65, das ist doch auch nicht viel, GUZ mit 52, Nils Koppruch mit 46, Wiglaf Droste mit 57, ich könnte so kotzen, Leute, es macht mich fertig mit meinen verdammten 60 Jahren). Aber, halt: Olifr Maurmann & seine Aeronauten sind zurück. Zur Auferstehungsfeier tauen sie auf unserer Weltmusikinsel ihr 11tes Album «Neun Extraleben». Grandios. Mitreissend. Als wär der grosse GUZ noch unter uns. Dieses Album ist ein Wunder, eine unverhoffte Umarmung in Zeiten des physischen Sozialdistanzmaskentheaters. Tröstend. Die neun Extraleben sind 13 Titel lang. Das neue Album strotzt vor Leben & dem trotzigen Willen, nicht aufzugeben & immer wieder aufzustehen. Es haut rein wie das jugendliche Debüt-Meisteralbum einer Jugendlichen Meisterband, die 30 Jahre am Rand des Durchbruchs steht. Das sollte mindestens noch 30 Jahre so weitergehen. Im Februar 2019 zog sich die Band eine Woche lang in eine Alphütte im Appenzellerland zurück & begann die Arbeit an einem neuen Album. Später trafen sie sich regelmässig in Maurmanns Startrack-Studio in Schaffhausen & kamen gut voran, bis der Scheff ins Krankenhaus berufen wurde. Was tun mit den restlichen Skizzen, mit Einzelspuren von Stimme & Gitarre oder mit Texten, die noch keine Musik hatten? – «Nach Olifrs Tod wurde uns schnell klar, dass wir das hier für ihn und uns und auch irgendwie mit ihm zu Ende bringen wollten.» Nach der lähmenden Trauer mobilisierte die Band im Corona-Lockdown alle Kräfte: Motte, Dani, Lukas, Marc & Roger zogen das Ding im Sinn & Geist Olifrs durch; sie probten und pröbelten, machten Testaufnahmen, tranken Bier, erzählten sich Geschichten – eine Gruppenselbsttherapie mit klarem Gutaltpunkziel vor Augen: «Irgendwann wird alles gut.» Motte suchte im Studio alle Aufnahmen & fügte die Puzzleteile zusammen, er zauberte bei «Neun Extraleben», indem er Olifrs Stimme aus einer älteren Aufnahme auf die Studiofassung einpasste. Und Roger gab dem Album die fehlende Musik für den «Stauseegrund» & steuerte die beiden Instrumentalstücke bei. Zusätzlich half der befreundete Produzent & Musiker (u.a. in GUZ’ Averells) David Langhard quasi als siebtes Bandmitglied, die Kohlen aus dem Feuer zu holen & sorgte einmal sogar für Extranoten mit der Talkbox. Auf diesem nachgereichten Album knallt & glänzt & rührt & fetzt & freut noch einmal alles, was die Aeronauten auszeichnet: die grosse Popgeste, der Haudrauf-Schweinepunk, die saftigen Soul- & Blues-Einschübe. Rock’n’Roll mit einem Begriffsverständnis, wie er im D-A-CH-Raum seinesgleichen sucht. Mit weit offenem Echoraum bis in die schrulligsten Nischen: «Ching Ching Wong» von Bernie Turner and The Armorettes wird fast eins zu eins gecovert, «Goldfish Murder» von Billy Childish & Sexton Ming feinsinnig eingedeutscht, wie es Olifr Maurmann mit seinen angelsächsischen Favoriten einmalig pflegte. Und es fehlt nicht das Instrumental mit dem Ennio-Morricone-Einschlag, das «Extremadura» von einst wird hier aufgrund einer Inspiration des Barockmeisters Henry Purcell zum «Lamento». Derweil kalbt «Gletscher» wie ein Klaviergruss aus dem Jenseits & gibt die schöne französische Fata Morgana namens «Mirage» früh den Takt des fröhlichen Pessimismus’ an, wie er GUZ & den Aeronauten stets eigen war. «Neun Extraleben» kann den Tod dieses einzigartigen Schweizer Musikers wenn nicht überwinden. Aber ein wenig erträglicher machen, schon. «Never be dead», schreit der letzte Song, die Handyaufnahme einer älteren Probe; es ist die ultimative Lebensversicherung der Jugend, das «Teenage Dreams» (Are Hard To Beat) der Undertones, mit der Zeile: «Klopf den Rhythmus bis aufs Grab.» Bis in alle Ewigkeit. Gelächter. Umarmung. Ab. Danke für alles! Alles wird gut. Und das obwohl die überlebenden Aeronauten an der Plattentaufe nicht live spielen werden. Es geht einfach nicht ohne den Scheff, schreiben sie. Und: «Unsere neue Platte möchten wir jedoch gerne am 5. Dezember bei Euch im Lokal mit einem Moderator und persönlichen Erklärungen per DJ Pult auf der Bühne präsentieren. Dabei sollten alle Lieder nach und nach über Anlage laut abgespielt werden können. Es wird demnach eher ein gemütliches Zusammensein mit unseren Musikfreund*innen mit anschliessender Möglichkeit zum Platten/T-Shirt-Kauf. Wienerli mit Brot und Senf könnten wir draussen auch noch beisteuern... hi hi!» – Alles wird GUZ!
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